Müssen jetzt Flagge zeigen

Ein sehr interessantes Interview mit unserem HGO, welches in der NÖN-Ausgaben Gmünd, Waidhofen, Zwettl und Horn in der KW40 erschienen ist. Das Interview wurde vor der Vorstandssitzung des NÖFV geführt.

„Müssen jetzt Flagge zeigen!“

Hauptgruppen-Obmann Werner Vogl über Geisterspiele in orangen Bezirken, Disziplin auf Sportplätzen & Sport als Prügelknaben.

 

Von Maximilian Köpf

 

NÖN: Werner Vogl, wie haben sie die Corona-Verschärfungen der Landesregierung, die unter anderem Geisterspiele in Bezirken, in denen die Corona-Ampel auf orange steht, aufgenommen?

Werner Vogl: Das war ein Schlag ins Gesicht, total aus heiterem Himmel. Wir spielen eh schon mit Auflagen, die Vereine bemühen sich, Konzepte zu erstellen, alle Vorkehrungen umzusetzen. Die ehrenamtlichen Funktionäre leisten da wirklich Knochenarbeit, weil die Auflagen ja auch ständig verschärft werden, sie immer am Ball bleiben müssen. Die Vereine verhalten sich gut, das muss man so einmal in aller Deutlichkeit sagen. Was uns natürlich nicht gut getan hat in der Außenwirkung, waren die Jubelfotos aus Kabine und Kantine. Aber nennen wir es beim Namen: Im Endeffekt will die Politik den Fußball abdrehen, traut sich aber nicht. Jetzt kommt sie eben über die andere Seite, verbietet die Zuschauer, wo sie genau weiß, dass ein Spielbetrieb im Amateurbereich ohne Zuschauer nicht durchführbar ist. Dazu sagt die Landesregierung: Sie will die Wirtschaft retten. Ist ein Heimspiel kein Wirtschaftsfaktor? Zählt der Fleischhacker aus dem Ort, der Wurst und Koteletts liefert, nichts? Zählt der Bäcker aus dem Ort, der Gebäck liefert, nichts? Wäre die Landesregierung vorher zum NÖ-Fußballverband gekommen, hätte das Gespräch gesucht, hätte man Lösungen gefunden, wie etwa eine Sperrstunde auf Fußballplätzen, um die „dritte Halbzeit“, die natürlich Gefahrenpotenzial bietet, zu unterbinden. Aber das wollte sie offensichtlich nicht.

 

In drei von vier Waldviertler Bezirken steht die Corona-Ampel auf orange. Einzig Horn ist grün. Welche Auswirkungen hat das? Ist eine Fortsetzung der Meisterschaft über den 4. Oktober hinaus (ab 5. Oktober gelten die Geisterspiele; Anm.) überhaupt vorstellbar?

Vogl: Jetzt muss man Flagge zeigen! Man darf den Spielbetrieb nicht absagen. Dann hätte die Landesregierung ja genau das erreicht, was sie wollte. Wir müssen weiterspielen. Jeder Verein hat jetzt noch zwei, drei, höchstens vier Heimspiele. Die werden auch ohne Zuschauer verkraftbar sein. In der Wintervorbereitung ist es für die Vereine auch kein Problem bei Vorbereitungsspielen, die Miete für Kunstrasenplatz zu bezahlen, den Schiedsrichter zu bezahlen, die Dressen zu waschen. Und wenn das schon existenzbedrohend für einen Verein ist, dann hätte er in ein, zwei Jahren ohnehin Probleme bekommen – so ehrlich muss er dann sein. Man muss aber jetzt klar aufzeigen, dass man mit dem Sport nicht alles machen kann.

 

Wie haben sie bislang Fußballmatches unter Corona-Auflagen wahrgenommen? Wie war die Disziplin unter den Zuschauern?

Vogl: Ich war auf vielen Fußballplätzen unterwegs. Die Vereine haben sich wirklich viel einfallen lassen, die Disziplin unter den Zuschauern war groß. Dass es natürlich da und dort nicht ganz ideal funktioniert hat, speziell in der „dritten Halbzeit“, die jetzt so gern hergenommen wurde, ist eh bekannt. Man darf nicht vergessen, dass die Politik das gesellschaftliche Leben wieder praktisch zum Erliegen gebracht hat. Wenn du unter Leute willst, dann gibt es vielerorts nur mehr den Fußballplatz. Wie früher. Viele Vereine haben Umsätze wie seit ewigen Zeiten nicht mehr. Dass bei solchen Zuschauerzahlen, wie wir sie in den ersten Wochen hatten, nicht alles penibel eingehalten wird, ist auch irgendwo absehbar. Das hat sich aber laufend verbessert. Beim Konzert in Grafenegg sind die Leute nach dem Schlussakkord wohl auch nicht direkt ins Auto gehüpft und heimgefahren. Da wird nachher noch genauso zumindest getratscht worden sein. Aber wo haut man drauf? Auf den Sport!

 

Cluster gingen von Sportvereinen im Waldviertel noch keine aus. Jetzt könnte man sagen: „Es ist unter diesen Bedingungen nur eine Frage der Zeit.“ Aber trotzdem: Warum haut man so auf die Sportvereine, insbesondere den Fußball, drauf?

Vogl: Bei der Pressekonferenz wurde geschickt um die Zahlen herumlaviert, der Anschein erweckt, dass es in der „dritten Halbzeit“ so viele Infektionen gibt. Ich warte noch immer darauf, dass die Zahlen, die das untermauern, auf den Tisch gelegt werden. Ich vermute, es wird keine geben. Mir sind nämlich landesweit keine Cluster bekannt, die von Sportplätzen ausgegangen sind. Es gab Infektionen unter den Sportlern, teils auch unter Funktionären. Aber wo haben sich die Leute angesteckt? Daheim, in der Arbeit, auf privaten Feiern… Nur, weil diese Menschen auch beim Sportverein tätig sind, heißt es gleich: Infektion beim Sportverein. Dass der aber auch bei der Feuerwehr, beim Kirchenchor oder den Briefmarkensammlern Mitglied ist, sagt keiner mehr. Aber so kann man wieder auf die Sportvereine draufhauen. Nach dem Motto: Denen tut‘s am wenigsten weh! Vielleicht sollten alle 500 Vereine aus Niederösterreich ein Zeichen setzen – nicht die ganze Meisterschaft abbrechen, sondern eine Runde ausfallen lassen und stattdessen in voller Stärke vor dem Landhaus aufmarschieren. Ein klares Signal setzen.

 

Die Euphorie, dass es im Fußball wieder losgehen kann, eine neue Saison gestartet wird, war im Sommer groß. Auch die Bereitschaft unter den Vereinen, für Sicherheit auf ihren Plätzen zu sorgen, war groß. Muss man sechs Wochen nach dem Saisonstart dennoch sagen, dass dieses Projekt gescheitert ist?

Vogl: Natürlich ist das nicht gescheitert. Das wäre der Fall, wenn wir jetzt wieder aufhören. Viele Vereine haben durch diesen Neustart wieder neuen Schwung bekommen, viele Ideen umgesetzt, am Sportplatz gearbeitet. Da gibt es eine Aufbruchsstimmung. Jetzt aufzuhören, das wäre ein Fehler!

 

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